Woher rührt Dein Interesse an Potzlow?
Die Tat ging durch den Blätterwald und hat
mich nicht losgelassen. Das gab den Anlass,
die Gerichtsverhandlungen zu besuchen.
Dort traf ich die Täter, ihre Eltern und jugend-
liche Zeugen. Mir fiel auf, wie trotzig die
gegenüber der Wessi-Richterin reagiert haben.
Diese verbitterten Menschen haben mein
Interesse geweckt. Nachdem der Rummel
vorbei war und die Boulevardpresse die
Oberfläche abgegrast hatte, bin ich hingefahren.
Der Mord gab den Ausschlag, aber er sollte
nicht den zentralen Platz im Film einnehmen.
Ich wollte das Bild einer Gesellschaft 15 Jahre nach der Wende zeichnen und den Menschen
eine Plattform geben.
Nach dem Medienrummel gab es doch
sicher Misstrauen Dir gegenüber. Wie
hast Du es geschafft, dass Du den Leuten
am Ende sehr nah kommen konntest?
Das war ein sehr langer, steiniger Weg –
besonders die Kontakte zur institutionellen
Seite, auch zum Bürgermeister. über den
Ausländerbeauftragten lernte ich Matthias
kennen. Bei ihm zu Hause trifft sich die ganze
Clique. Wir haben dann sehr viel Zeit mit ihm
verbracht und sind dabei zu einer Art
Orientierungshilfe in seinem tristen Alltag
geworden. Durch uns ist ihm klar geworden,
dass man sich seinen eigenen Weg im Leben
suchen muss. Das hatte er vorher noch nie so
gesehen. Ich war ein halbes Jahr vor dem
Drehen immer wieder da, wir haben viel
geredet. Es hat sich so eine Art Freundschaft
entwickelt.
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Hat Deine Herkunft dabei eine Rolle
gespielt?
Ich bin in Frankfurt am Main geboren,
aber meine Eltern sind Jugoslawen. Ich
habe eigentlich "balkanesisches" Blut in
mir. Wir haben das nie thematisiert, aber
ich glaube, die Leute haben das gespürt -
wie ich auf Leute zugehe.
Der Film ist teilweise sehr hart.
Haben die Protagonisten ihn
gesehen?
Ja. Matthias und seinen Eltern habe ich
gesagt, dass es mir um das soziale
Miteinander geht, dass ich da mit meinem
Material keinen verschont hab. Das haben
sie akzeptiert. Matthias wird zur Premiere
nach Leipzig kommen.
Du selbst warst auch schon auf dem
Leipziger Festival?
Ja, mit einem Animationsfilm.
Was hat Dir die Animationsfilmarbeit
für den Dokfilm gebracht?
Geduld und Ausdauer. Ansonsten ist der
ganze Prozess ein umgekehrter: Beim
Animationsfilm muss man vorher alles
genau festlegen und dann drehen. Beim
Dokumentarfilm versucht man auch, ein
Konzept umzusetzen Aber da man ja nicht
mit Schauspielern dreht, ergeben sich
ganz andere Sachen.
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War das auch in Potzlow so?
Ja, alles war unplanbar. Wir konnten so
gut wie nichts beeinflussen, mussten
einfach mitgehen.
Und habt beispielsweise gedreht,
wie einer zum Spaß ins Wasser
geschmissen wird, eine
erschreckende Szene ...
Ja, wir haben einfach den Alltag mit ihnen
geteilt. Und der ist mit Gewalt durchsetzt.
Das ist dort normal.
Ist Potzlow typisch deutsch? Typisch
Osten? Zeigt es ein Bild unserer
Gesellschaft?
Das würde ich schon so sehen.
Ich wünsche mir, dass der Film ein
Anstoß wird, sich mehr Gedanken über
die Situation von Jugendlichen an sozialen
Brennpunkten zu machen. Keine Perspektive, Frustration, das schafft Leere
im Kopf und Räume für komische
Gedanken. Wo man Anzeichen bemerkt,
sollte man etwas unternehmen. Egal, ob
Osten oder Westen.
So etwas wie in Potzlow kann überall geschehen.
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